Deeper Learning in der zweiten Phase der Lehrer:innenausbildung

In der letzten Ausgabe, habe ich ein Konzept vorgestellt, wie man mit OKR (Objectives & Key Results) den Referendar:innen ermöglicht, sich eigene Ziele zur Ausbildung zu setzen und zu verfolgen und dabei gleichzeitig das Ausbildungsziel (die Vorgaben des Ausbildungscurriculums) verfolgt. Heute möchte ich dieses Vorgehen mit dem Deeper Learning verbinden. Auf diese Weise sollen sich die Referendar:innen das Thema “Umgang mit Heterogenität und Vielfalt bei Lernenden im Matheunterricht” bearbeiten. Das mache ich, weil ich a) bereits erste Rückmeldungen der Referendar:innen umsetzen möchte und b) der Deeper Learning Ansatz ganz wunderbar mit OKR kombinierbar ist.

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Überblick

  • Das Thema “Umgang mit Heterogenität” ist im Asubildungscurriculum des Landesinstituts für Schule in Bremen vorgegeben. 
  • Das Thema wird über insgesamt 4 Sitzungen behandelt.
  • Ich richte den Ablauf nach dem AVIVA-Modell von Städeli aus.
  • Der Deeper Learning Ansatz gliedert sich in 3 Phasen: 
    1. Instruktion und Aneignung (AVI, ein Seminartermin)
    2. Ko-Konstruktion und Ko-Kreation (V, zwei Seminartermine)
    3. Authentische Leistung + Feedback (A, ein Seminartermin)

  • Ziel ist es, die Referendar:innen herausfinden zu lassen, wie die Heterogenität und die Vielfalt der Lernenden sich auf ihren Unterricht auswirken und welche Möglichkeiten sie haben, diesen zu begegnen und sie nutzbar zu machen. 
  • Peer-Learning soll Grundelement sein. Meine Annahme: Jede Person hat Expertise und kann diese gewinnbringend zur Problemlösung der gesamten Gruppe einbringen.

1. Instruktion und Aneignung

In der ersten Phase des Deeper Learnings geht es darum, sich mit der Herausforderung vertraut zu machen, das eigene Vorwissen zu aktivieren und sich Informationen anzueignen. Im ersten Seminartermin wird daher den Referendar:innen die Herausfoderung präsentiert und sie sammeln zunächst Fragen zum Thema mit 1-2-4-alle. Danach nehmen Sie die Fragen mit in ein Conversation Café. Dadurch knüpfen sie an ihr Vorwissen an und schärfen die Herausforderung. Im Anschluss daran, wird es Möglichkeit geben Informationen zu sammeln. Hier werde ich auf die Kraft der kollektiven Intelligenz der Peer-Group bauen. Horst Lempart stellt dazu in seinem Buch 52 agile Seminarmethoden die Methode “Expertensprechstunde” dar. Jede Person einer Gruppe hat bestimmte Expertise in einem Bereich. Ich z.B. bin durch langjährige Erfahrung im Umgang mit Fitness-Apps ein “Experte für Fitness-Apps”. Einer meiner Referendar:innen ist seit langem Kletter-Lehrer, er wird zum “Experten für schwindelerregende Höhen”. Eine andere Referendarin reist gerne, sie ist “Expertin für exotische Länder”. Nun gibt es mehrere Runden lang die Möglichkeit diese Expertinnen aufzusuchen und die Fragen und Herausforderungen zum Problem “Heterogenität im Matheunterricht” aus dem Conversation Café mit den Expertinnen zu diskutieren. Die Expert:innen beraten dabei aus ihrer Expertise, der “Experte für schwindelerregende Höhen” wird z.B. erzählen, wie er das Problem aus seiner Perspektive im Klettersport angehen würde. Durch dieses spielerische Element wird die Kreativität der Referendar:innen angeregt und sie blicken auf schulische Probleme, aus anderer Perspektive. Dadurch lassen sich innovative Ansätze finden mit Heterogenität und Vielfalt im Unterricht umzugehen.

Optional wird es die Möglichkeit geben, verschiedene Materialien (z.B. Zeitschriftentexte) zu lesen, um sich weiteren Input zu holen.

2. Ko-Konstruktion und Ko-Kreation

Beginnend mit der zweiten Phase gibt es die Möglichkeit, sich mit OKR eigene Ziele zu setzen, an denen man in den nächsten zwei Sitzungen zum Ausbildungsziel arbeiten will. Dazu werden zunächst mögliche Themenschwerpunkte im Brainstorming gefunden. Danach geht es ins Planning. Zum Planning finden sich 3 bis 5 Personen zu den priorisieren Themen zusammen und entwickeln ein Objective und max drei Key Results. Dann werden To Do´s definiert und in ein Kanban eingetragen. OKR und Kanban helfen dabei, den Prozess für mich und die Referendar:innen transparent zu machen. 

Im restlichen Teil dieser Sitzung und der folgenden Seminarsitzung haben die Teams nun die Möglichkeit sich in ihrem Thema zu spezialisieren und vertieft zu lernen. 

3. Authentische Leistung

In Bremen arbeiten die Fachleitungen Mathematik Sek I und II im Team und treffen sich regelmäßig. Innerhalb dieser Teamsitzungen ist die Idee entstanden, regelmäßige seminarübergreifende Barcamps durchzuführen. Auf einem Barcamp zum Themenbereich “Differenzierungsmöglichkeiten im Matheunterrricht” können die Referendar:innen die Ergebnisse aus Phase 2 vorstellen und ihre Erkenntnisse einem breiten Publikum vorstellen. Dadurch wird ihre Arbeit und ihr Lernprozess zusätzlich gewürdigt. Die Präsentation auf einem Barcamp erzeugt eine authentisches Leistungssituation. Ein zusätzlicher Nebeneffekt: Neben meinem Feedback, erhalten die Referendar:innen Peer-Feedback.

OKR in der Lehrer:innenausbildung

Jason Goodman / Unsplash

Im Sommer 2021 probierte ich mit Working out loud von John Stepper ein Peer-Learning-Format mit den Referendar:innen aus. Sie legten sich dabei eigene Ziele fest und versuchten über einen Zeitraum von 12 Wochen daran zu arbeiten und ein Lernprodukt zu erstellen. Sie trafen sich in Lernzirkeln jede Woche für eine Stunde, um durch verschiedene Übungen von- und miteinander zu lernen. Die Idee dahinter, eigene Ziele zu setzen und Zeit zu haben sich intensiv damit zu beschäftigen und so Mastery Learning zu erreichen. Durch Mitbestimmung und Selbstorganisation sollte intrinische Motivation aufgebaut werden. 

Das Vorgehen wurde mit gemischten Gefühlen entgegen genommen. Gründe gab es viele. Die Aufgabenstellung war zu offen, die wöchentlichen Treffen und die asynchrone selbstorganisierte Arbeit fiel einigen schwer. Sie brauchten mehr Zeit, als in den 2,5 Stunden pro 14-Tage Seminarzeit. Es wurde aber auch gesagt, dass es sehr gut ist, sich im Team über einen längeren Zeitraum eigenständig mit einem Thema zu beschäftigen. Allerdings sollte dies in die übliche Seminarzeit gelegt werden. 

Weitere Recherche zu agilen Arbeitsweisen im Management führte mich schließlich zu OKR (Objectives & Key Results).

Ein 2-monatiger Sprint mit OKR

Ausbildungsziel (Auszubildende Kompetenz): Die Referendar:innen kennen Möglichkeiten um Matheunterricht sprachsensibel zu gestalten und planen ein oder mehre Unterrichtssettings sprachsensibel. 

Um diese Kompetenz zu erreichen legen sich die Referendar:innen eigene Ziele und Schlüsselergebnisse in einem OKR Planning fest.

OKR-Planning

Einstiegsimpuls zum Thema sprachsensibler Matheunterricht – Sprachbildung ist Aufgabe aller Fächer (Sprachbildungskonzept Bremen) 

– Video von Josef Leisen schauen

– https://www.youtube.com/watch?v=b026Eux-axE&feature=youtu.be

– Artikel: Warum Sprache zählt (In Mathematik lehren)

– Ziel aus Ausbildungscurriculum wird vorgestellt

Nun werden Ideen für Themen gesammelt. Dies kann z.B. auf einem digitalen Whiteboard passieren. 5 Minuten lang schreibt jede Person Ideen auf. Dann wird abgestimmt. Die Abstimmung welche Themen die interessantesten sind geht über 4 Minuten. Jede Person erhält drei Punkte, die sie frei Verteilen darf. Die vier bis fünf wichtigsten Themen werden ausgewählt. Dann werden 4 bis 5 Teams gebildet. Die Personen teilen sich möglichst gleichmäßig in 3-5er Teams auf die Themen auf.

Themenbrainstorming

Dann bekommt jedes Team 15 Minuten Zeit ein Ziel (Objektive) und ein bis maximal drei Schlüsselerlebnisse (Key Results) zu finden. 

Das Ziel sollte dabei erreichbar aber herausfordernd formuliert werden. Im Idealfall wird es auch emotional beschrieben. Also sollte man sich fragen wie man sich fühlt, wenn man es erreicht hat. Es muss außerdem dem Ausbildungsziel folgen. 

Die Schlüsselergebnisse sollen über eine Metrik also durch konkrete Zahlenwerte messbar sein. Sie sind die entscheidenen Hebel, die man umlegen muss, um das Ziel zu erreichen. Wenn man sie erreicht hat, kann man sehr gut sagen, dass man das Ziel erreicht hat. 

Hier sollte von der Seminarleitung darauf geachtet werden, dass die gesetzten Ziele, dem Ausbildungsziel folgen und das die Schlüsselergebnisse wirklich eine Metrik beinhalten und dadurch quantitativ messbar werden. Die Referendar:innen bekommen deshalb je 3 Minuten pro Team, um ihre OKR vorzustellen.

Das Planning schließt damit ab, dass man über mögliche auftretende Probleme und Hindernisse nachdenkt und diese notiert, sowie, dass man konkrete erste Handlungsschritte plant. Dazu nochmals 15 Minuten einräumen. 

Planung der Ziele und Schlüsselergebnisse (Objectives & Key Results)

Das Kanban-Board

Um den Überblick zu behalten und die Erreichung der OKR sowie der nächsten Schritte transparent für alle zu machen, werden die gefundenen nächsten Schritte in ein Kanban-Board eingetragen. Das Kanban-Board wird in den nächsten drei Sitzungen genutzt, um den Prozess transparent zu machen und die Aufgaben im Team im Auge zu behalten. Die restliche Zeit des Seminartermins kann dann auf zur Erfüllung erster Aufgaben genutzt werden. 

Kanban Board

Die zweite Seminartermin

Das Stand Up

Die nächsten zwei Seminartermine (je 2,5 h) beginnen mit einer Einschätzung des eigenen Gemütszustandes und einem Stand Up 

1. Wie weit sind wir bei unseren Schlüsselergebnissen? In Prozent, rot, gelb, grün, oder als  Zahlenwert.

1. Womit sind wir gerade beschäftigt?

1. Welche Probleme halten uns auf?

Je Team 2-Minuten lang Antworten vorstellen lassen.

Der Open Space

Die nächsten 90 Minuten lang kann an dem Ziel und den Schlüsselergebnissen gearbeitet werden. Dies geschieht selbstorganisiert in Form einer Session beim Open Space.

Hilfestellung durch Peers

Um den Teams die Möglichkeit zu bieten Hilfe zu bekommen und sich gegenseitig Feedback zu geben, werden je zwei Teams ihre Ergebnisse präsentieren. Die übrigen Personen verteilen sich auf die beiden Präsentationen und werden zu Beratenden. Die Präsentierenden stellen Ihre bisherigen Ergebnisse vor und bitten um Feedback, sowie Hilfestellung. Die Beratenden geben Rückmeldung, Tipps, Hilfestellung. Am Ende dürfen die Präsentierenden den Beratenden kurz erzählen, was sie aus dem Gespräch mitnehmen. Nach 15 Minuten wählt man neue Präsentierende und beginnt eine weitere Runde.

Schematische Darstellung der Feedbackrunde

Retrospektive

Im Anschluss folgt eine Retrospektive in der die Teammitglieder ihre bisherige Teamarbeit reflektieren. Dazu eignet sich z.B. die Segelboot-Retrospektive.

Segelboot-Retrospektive

Der dritte Seminartermin

Celebrity Interview

Nach dem Stand Up schließt ein Celebrity Interview an. Ein Gast oder einfach die Seminarleitung stellt sich als Interviewpartner:in zur Verfügung und kann so wichtiges Expertenwissen mit den Referendar:innen teilen. Das Interview besteht aus zwei Fragedurchgängen. Der erste Durchgang wird von einer Moderation durch geführt, die sich Fragen im Vorfeld überlegt hat. Vor der zweiten Runde haben die Referendar:innen die Gelegenheit in Kleingruppen Fragen zu definieren und diese dann zu stellen. So wird ein externer Input in die Teams gebracht, was ihnen für die Bearbeitung ihres Ziels nützlich sein kann. 

Open Space 

Im nachfolgenden Open Space wird über 90 Minuten weiter an der Zielerreichung gearbeitet, das Feedback aus dem letzten Seminartermin sowie der Input aus dem Celebrity Interview verarbeitet. Diesmal setzt sich die Seminarleitung mit jedem Team für ein 15 minütiges Feedbackgespräch zusammen.

Sie stellt den Teams folgende Fragen, die jedes Mitglied für sich beantworten sollte.

– Wo hast du einen Beitrag zur Erreichung der Schlüsselergebnisse eingebracht?

– Wo hättest du mehr Engagement beim Erreichen der Schlüsselergebnisse zeigen können?

– Welche besonderen Fähigkeiten/Kompetenzen bringst du ein?

– Wo hast du noch Potenzial?

– Wie und wobei kann ich euch helfen?

Feedback im digitalen Whiteboard

Der vierte Seminartermin

Open Space

Nach dem Stand Up schließt ein 30 minütiger Open Space an in dem die Präsentation der Lernergebnisse vorbereitet werden kann. 

Präsentation der Ergebnisse

Die Ergebnisse werden je nach Form z.B. als Pecha-Kucha, als Podcast, Video, Blogbeitrag oder Keynote vorgestellt. Um Feedback zu geben, eignet sich „Wise Crowds“-Peer-Feedback. Abschließend werden die Ergebnisse im ePortfolio der Referendar:innen eingetragen und können noch kommentiert werden.

Im Anschluss sollte der zurückliegende Lernprozess gefeiert werden. Man könnte z.B. Essen gehen, ein Bier (auch alkoholfrei) im Park trinken, einen Grillabend, Klettern gehen oder einen Spieleabend gestalten.